Gleich zu Jahresbeginn gab es zwei oder drei Artikel bzw. Beiträge auf LinkedIn, die mich etwas nachdenklich zurück gelassen und andererseits aber in meiner Meinung bestärkt haben. Es ging um Employer Branding, den USP von Arbeitgebern, Employer Value Proposition (EVP) und Storytelling. Das Alleinstellungsmerkmal als Arbeitgeber herauszuarbeiten sei relativ unsinnig - wie von einem der Autoren festgehalten wurde. Da stimme ich grundsätzlich zu, denn der USP eines Arbeitgebers klingt im Grunde identisch wie der des anderen. Der USP ist somit nicht nur einfach austauschbar sondern eigentlich inflationär. Viel mehr wurde die Investition in eine klar EVP - also Employer Value Proposition - propagiert. Es geht um Konkretisierung von "Arbeitgeberdasein" und Abgleich von Erwartungshaltungen der Zielgruppen - soweit so gut. Herauskommen wird/soll ein Arbeitgeber-Wertversprechen, das nicht nur in Werbung und Marketing sondern auch im Alltag zutreffend ist. Ist das so? Und ist das so viel anders als der "USP"? Da muss ich leider widersprechen. Und es beginnt mit dem Begriff Proposition - das vermeintliche Versprechen, das in korrekter englischer Übersetzung aber "Behauptung" heißt. Und schlussendlich vermutlich in einem ähnlichen Prozess und Workshop zustande kommt wie der USP als Arbeitgeber - also mehr ein Zusammenfügen von idealen Wörtern, angestrengtem Nachdenken und schwierigen Formulierungen...
Tatsächlich sind EVPs aber viel mehr Behauptungen, selten echte Versprechen - und es ist immer fraglich, ob diese vermeintlichen Versprechungen auch tatsächlich halten. Oder glauben wir wirklich, dass bekanntermaßen altbackene Unternehmen auf einmal besonders agil und mit flachen Hierarchien arbeiten, das dynamische junge internationale Umfeld am Ende so sein wird, wie "versprochen". In den wenigsten Fällen - die Rückmeldung Betroffener beweist es.
Dabei wird für diese Prozesse viel Geld und Zeit aufgewendet. Erst im Herbst hatte ich ein interessantes Gespräch mit einem österreichischen Versicherungskonzern, die sich zum Thema Mitarbeiter Gedanken machten und neu aufstellten (gesamter Themenbereich von Employer Branding, ev auch Employee Experience). "Wir werden jetzt auch mit der Employer Value Proposition beginnen - das ist der Ausgangspunkt für die weiteren Aktivitäten". Ich gebe zu, ich bin da etwas skeptisch. Natürlich macht man es sich nicht leicht und tut sein bestes, aber am Ende klingen auch diese "Versprechen" bzw. Behauptungen doch alle gleich oder zumindest sehr ähnlich. Fast wortgleich findet man die Ergebnisse auf den diversen Karriereseiten der Unternehmen oder in mal besser mal weniger gut gemachten Videos (ist das schon Storytelling??). Und zusätzlich unterstelle ich, dass die Inhalte und Aussagen in fast allen Fällen mehr versprechen als sie halten - sie schüren Erwartungen sowohl bei Bewerberinnen und Bewerbern, als auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Auch klar: denn wer wird von sich als Unternehmen schon die ungeschönte Wahrheit verbreiten...
Aber: Wir wissen, dass knapp 80 % aller Menschen sich vor Bewerbungen auf Bewertungsplattformen informieren. Und sich vielfach daran orientieren, was dort als Feedback steht. Was Betroffene über ihre Erlebnisse berichten. Das beste Arbeitgeber-Wertversprechen bzw. die beste Arbeitgeber-Wertbehauptung hat in der Sekunde an Bedeutung verloren, wenn in dem Unternehmensprofil überwiegend schlechte und mittelmäßige Ratings stehen (umgekehrt, wenn es übertrieben gut ist, merken wir es auch gleich - das sei nur der Fairness halber auch erwähnt) - nämlich die Erzählungen der Erlebnisse durch Betroffene (das ist jetzt quasi auch Storytelling, nur wollten wir eigentlich eine andere Story, oder...).
Stichwort Storytelling: vom Buzzword zum Erfolgskonzept für Personalmarketing... tja. Die Frage ist was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu berichten haben. Ist mit Storytelling die nächste "Geschichte" aus dem Marketing gemeint, die man sich zurecht gelegt hat oder tatsächlich die Geschichte, die die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter über die Firma erzählen möchte - weil sie besonders gut eine positive Erfahrung belegt. Und was gibt den Ausschlag dafür, dass ich als Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter das erzählen möchte. Die Grundlage dafür ist - erraten: Employee Experience. Also die täglich erlebten und erfahrenen Momente und Interaktionen. Natürlich kann/soll/muss (?) man die Geschichten aus dem Unternehmen erzählen, aber sie müssen glaubwürdig sein und keine reinen Werbevideos über den Job und die Organisation. Das Problem dabei ist aber, dass Employee Experience in den allermeisten Unternehmen dem Zufall überlassen wird und nicht aktiv gestaltet wird.
Kurzer Input noch: Das entscheidende Stichwort in diesem gesamten Zusammenhang von Employer Branding, EVP und Storytelling ist Erwartung bzw. Erwartungshaltungen. Jede/r von uns hat auf Basis der Aussagen und Botschaften, die von Unternehmen getroffen werden, eine gewisse Vorstellung und Erwartungshaltung. Das Abgleichen und schließlich die Erfüllung von Erwartungshaltungen ist mit der größte Faktor im Verständnis von Employee Experience. Je besser unsere Erwartung erfüllt wird umso besser ist unsere Experience. Und umgekehrt. Wenn also das sog. Wertversprechen (EVP) mit diversen Attributen und Behauptungen nicht erfüllt wird, dann entsteht ein sog. "Expectation Gap". Dieser Gap führt relativ rasch zu Frustration und Demotivation.
Erfolgreiche Unternehmen haben verstanden, dass dieser Abgleich von Erwartungen (nächster Anglizismus: expectation alignment - NICHT management!) der Schlüssel ist, um attraktiv zu sein für Menschen und gleichzeitig sie mit der Erfüllung der Erwartungen zu begeistern. Die Folge sind loyale MitarbeiterInnen bis hin zur sog. Employee Advocacy (Buzzword), mehr Engagement und mehr Performance - bei weniger Kosten für Recruiting oder Employer Branding. Um den Abgleich der Erwartungen sichtbar zu machen gibt es die Form des sog. People Deals. Darin werden einerseits die Erwartungen des Unternehmens klar kommuniziert und andererseits auch deutlich gemacht, was man sich als Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter von der Firma erwarten kann. Die Grundlage bzw. Basis dafür sind die "moments that matter" (also die entscheidenden Momente der Employee Experience) der Organisation, die aktiv und MIT den Menschen gestaltet bzw. weiterentwickelt werden.
Fragereflex: "Und wie wird da dann die Einhaltung kontrolliert?" - naja in Organisationen, in denen Employee Experience als große Priorität erkannt und dementsprechend aktiv gestaltet wird, dort werden auf Basis von regelmäßigem Feedback die "moments" verbessert und optimiert, damit der Deal hält was er verspricht.
Meine Überzeugung ist, dass die Grundlage für authentisches und erfolgreiches Employer Branding (das Unternehmen jedenfalls brauchen) nicht die Ausarbeitung eines USP, einer EVP oder eines Storytelling Konzepts ist, sondern die aktive Gestaltung von Employee Experience. Aus dem ehrlichen Feedback und dem Erleben der Betroffenen ergeben sich dann die besten Geschichten und die stärkste Positionierung als Arbeitgeber. Denn es heißt nicht umsonst: "Good advertising is killing a bad product faster" - also: gute Werbung zerstört ein schlechtes Produkt schneller...
Let's start.
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